Armando Perri, Meine Erfahrungen als Volunteer

Mein Name ist Armando Perri und bin im Engadin, in St.Moritz aufgewachsen. Als gelernter Schreiner, nach sechs jähriger Tätigkeit in der Schreinerei Zangger in Samedan suchte ich eine neue Herausforderung in meinem Beruf und meinem Leben.

Mein Ziel war eine Volunteerarbeit in einem Entwicklungsland in Asien, von den Einheimischen umgeben aber vom Massentourismus weit entfernt.

Über Monate suchte ich im Internet und in Prospekten nach einem Projekt. Sehr wohl fand ich mehre Angebote, leider waren alle auf den Tourismusaufenthalt ausgerichtet und oft auch relativ teuer.

Zufällig, fragte mich mein Arbeitgeber, Herr Ramon Zangger ob ich Interesse hätte, am Bridge Projekt teilzunehmen. Ich informierte mich ausführlich über Bridge und nahm mit Herrn Strickler Kontakt auf. Begeistert von diesem Schweizerischen Schreinerprojekt in Sri Lanka, stand meine Reise nach drei Tage fest.

Ziel des Projektes

Jährlich sollten 15 Lehrlinge aus den verschiedensten Gebieten Sri Lankas die Schreinerlehre absolvieren. Die Jungs, im Alter von 16-28 Jahre, wohnen während dieser Zeit zusammen im „Lehrlingshaus“ des Projektes und dürfen nur für den Urlaub nach Hause reisen.

Das Schweizerische Bridge Projekt übernimmt alle Unterhaltskosten.

Nebst der Schreinerausbildung, wird Freitags und Samstags jeweils auch Fachkunde und Englisch unterrichtet.

Zwei bis drei Klassenausflüge werden jährlich auch von Bridge organisiert.

Die grösste Freude ist zu erfahren, dass mit wenigen Ausnahmen alle Lehrlinge eine Stelle finden oder sich eben sogar selbstständig machen. Die zehn-monatige Schreinerlehre beginnt jährlich im Februar und endet Mitte November.

Bridge versucht nach dem schweizerischen Lehrablauf zu unterrichten.

 

Die Arbeit

In einem fremden Land angekommen, begann mein persönliches Projekt Bridge in Matale, im Herzen des Landes. Mitten im Paradies, zwischen den Palmen versteckt, hörte ich das laute Geräusch der Schreinerei. Ich wurde von 15 jungen Lehrlingen herzlich mit einem Gesang begrüsst. Drei Tage beobachtete ich die Auszubildenden bei der Arbeit um mir ein Gesamtbild über die Arbeitsweise zu verschaffen.

Um die Arbeit eines Schreiners zu lernen, erstellen die Lehrlinge in der ersten Phase von Hand Eckverbindungen. In der Regel dauert diese Phase ungefähr zwei bis drei Monate. Die maschinelle Phase beginnt erst nachdem das handwerkliche Geschick erlernt ist. Ich begleitete das Projekt leider nur bis zum Ende der ersten Phase.

Die Anfangsarbeit der Lehrlinge war aus einem Holzstamm, massenhafte Holznägel zu stemmen. Diese 5-7 cm langen „Dübel“ sollten regelmässig sein. Die klassische formschlüssige Holzverbindung wie Schlitz und Zapfen wird vom hölzernen Stift zusammengehalten.

Bei dieser Übung sollten die ersten handwerklichen Erfahrungen gesammelt werden.

Vier Tage genügten um eine grosse Kartonschachtel gestemmter Holznägel zu füllen.

Auch die Holzgriffe des verschiedenen Kleinwerkzeugs, wie Stechbeitel, wurden in dieser Phase selber bis zum letzten Schliff hergestellt.

Gearbeitet wird natürlich im Schneidersitz auf den, aus rohen Brettern zusammengesetzten Hobelbänken. Jeder Lehrling bekommt das eigene Hauptwerkzeug, wie Stechbeitel, Holzhammer, Zollrollmeter, Holzsäge, Rauhbank, Putzhobel sowie Zirkel, Lineal und Schreibzeug für den Schulunterricht. Im Gegenteil zu Europa, sind Gliedermeter in Sri Lanka unbekannt.

Im hinteren Abteil des Bankraumes befindet sich das Kompaniewerkzeug.

Die Arbeit wurde dann, mit der Herstellung der 19 Eckbeispiele, abwechslungsreich und interessanter. Von einer einfachen zusammengenagelte Eckverbindung, bis zu halbverdeckten Schwalbenschwanzzinken. Diese Eckverbindungen waren der Hauptteil der ersten Phase. Verarbeitet wird überwiegend Mahagoni, da diese Holzart im Land wächst, günstiger und weicher wie das edle Teakholz ist. Jeder Lehrling musste das Werkstück aus einem rohen, meistens noch nassem, Brett mit der Rauhbank aushobeln. Ein Anschlagbrett, das ein V-förmiger Ausschnitt hat, wurde auf die Hobelbank genagelt. Somit konnte man das Werkstück einklemmen und verarbeiten.

Der erste Schritt war, zu erkennen welche Seite zuerst abgerichtet werden musste. Mister Yalage‘, der einheimische

Schreiner-Instruktor, erklärte dies mehrmals und es schien auch jedem klar zu sein.

Schwieriger war aber die zweite Fläche im Winkel auszuhobeln. Die Lehrlinge nahmen den rechten Winkel nicht so genau, das führte natürlich zu einem rhombusförmigen Querschnitt. Um parallel zu anreissen wurde ein Streichmass eingesetzt.

Diesen Arbeitsablauf wiederholten die jungen Männer bei jeder Übung.

Teilweise waren die Endergebnisse hervorragend, andere hingegen ungenau.

Selbst für mich, war dies eine lehrreiche und ungewohnte Auffrischung des ersten Lehrjahres.

Schwerpunkt, war neben dem abrichten auch das schärfen des Hobeleisens.

Ich versuchte, anhand von verschiedenen Skizzen, zu erklären welche die korrekte Haltung und die ideale Neigung des Hobeleisens ist um ein Rundschleifen zu vermeiden.

Als Beweis, bat ich Sie, die Augen zu schliessen. Aus Neugier machten einige immer wieder die Augen auf.

Ich wollte damit zeigen, was für eine schöne “Musik“ ein scharfer Hobel erzeugt.

Die Jungs lachten sich kaputt.

Wiederum wurde jede einzelne Übung von Mister Yalagè vorgezeigt. Zu den meisten Aufgaben erklärte ich deren Vor- und Nachteile. Wann, wie und welcher Klebstoff eingesetzt wird, war gar kein Thema, da die meisten Verbindungen rein mechanisch und durch die vorbereiteten Holznägel gesichert waren.

In Handwerkerläden in der Stadt, ist der gewöhnliche Weissleim, bis zum Zweikomponenten Kleber zu finden, doch die Preise sind relativ hoch.

Vom Richten der Werkstücke bis zum letzten Schliff hätte jeder Lehrling selbständig arbeiten sollen. Doch sehr oft entstanden Gruppen, in denen einer Arbeitete und vier zuschauten.

Das Ändernung der Arbeitsplätze war eine gute Lösung um so auch die Hilfsbereitschaft und die Teamfähigkeit zu stärken.

Bei einer erfolgreichen Endkontrolle wurde das Fragment von Mister Yalagè und von mir unterschrieben.

Nicht selten dauerte die Herstellung eines Einzelnen einen ganzen Tag, teilweise drei bis viermal von Anfang an wiederholt.

Sehr wichtig zu üben war auch die Führung der Feinsäge.

 

Die Maschinen

Die Maschinen der Schreinerei werden selten revidiert, zudem oxidieren die Metalloberflächen wegen des feuchten Klimas sehr schnell, was zu Rost führt. Diese Bedingungen sind für eine Schreinerei sehr schlecht. Auch die Sicherheit ist ein wichtiger Aspekt welcher oft vernachlässigt wird. Dank Bridge werden diese Mängel stetig verbessert.

 

Die Freizeit

Das grüne Paradies um die Schreinerei herum zu pflegen, ist ein Auftrag den sie bestens erfüllten. Bereits früh morgens, vor dem Frühstück, hörte man das Sauberwischen des Vorplatzes. Bei Gelegenheit muss auch die persönliche Wäsche selbständig erledigt werden.

Täglich nach der Arbeit, kaum zu erwarten, fand dasFeierabend-Volleyballturnier statt. Bei schlechtem Wetter hatten wir unseren Spass beim „Carrom“ Spiel, das bekannteste Billard-Fingerspiel Sri Lankas.

Natürlich wurde auch viel gesungen und Trommel gespielt.

Abends half ich gerne bei den Hausaufgaben nach. Wiederholungen des Schulunterrichtes, vor allem der Perspektivzeichnungen, waren auch ein tolles Erlebnis.

Mit Händen und Füssen konnten wir uns fast immer verständigen.

Ziel

Meine Ziele als Volunteer waren nicht nur das Unterstützen des Instruktors, sondern auch den Lehrlingen Mut zu geben kreativ zu sein, was als Schreiner sehr wichtig ist. Beim Kerbschnitzen zum Beispiel, wurde immer das gleiche Ornament geschnitzt. Entscheidend war die Angst, Fehler zu machen, überwinden zu können. Täglich bemerkte ich Fortschritte auch in dieser Richtung.

Auch die Sorgfaltspflicht des Werkzeugs habe ich ihnen auf den Weg mitgegeben.

Immer wieder wurde frisch geschärftes Werkzeug unsorgfältig deponiert, teilweise haufenweise auf andere Utensilien aufgestapelt.

Die beschädigten Schneiden führten nochmals zu einem unendlichen und mühsamen Schärf-Prozess.

 

Meine Schwierigkeiten

Die grösste Schwierigkeit, war für mich die Kommunikation, nicht nur mit den Jungs, sondern auch mit dem Schreiner-Instruktor.

Nur wer direkt mit dem Tourismus zu tun hat, spricht Englisch.

Das heisst, dass es ohne eine Skizze, nahezu unmöglich war sich mit ihnen zu verständigen.

Ich vermisste auch das liebevolle Arbeiten mit dem Werkzeug, sowie die sorgfältige Pflege.

Die Arbeitsmoral war sehr gut und die Motivation neues zu lernen, stark vorhanden. Diese Einstellung hat mir viel Freude bereitet.

Zwei verschiedene Welten?

Im diesem Beruf gibt es grundsätzlich wenige Unterschiede zwischen der Schweiz und einem Entwicklungsland wie Sri Lanka:

Die einen stellen das Werkzeug teilweise selber her, die anderen bestellen von A-Z per Mausklick.

Hier kommt eine teure Breitband mit drei Aggregaten zum Einsatz, dort wird als Finish mit dem Putzhobel die Oberfläche gehobelt.

Bei uns sind Schrauben und Leim das tägliche Brot, in Sri Lanka werden sie durch handgestemmte Holznägel ersetzt.

Nach dieser Erfahrung kann ich mich als privilegierter Schreiner einschätzen.

Unsere Lernmethode ist sicherlich weltweit eine der Besten, die uns einen 360° Einblick, praktisch sowie theoretisch, zu Verfügung stellt. Gleichzeitig war dies für mich ein Beweis, dass man auch mit wenigen, einfachen Werkzeugen erstaunliche Arbeiten herstellen kann.

 

Tipps

Empfehlenswert ist einen Aufenthalt mit einer zweiten Person einzuplanen. Es ist einfacher, in die früh angesagte Nachtruhe, eine Beschäftigung zu finden.

In Sri Lanka ist es nicht üblich, dass eine Frau handwerkliche Berufe ausübt. Für die Jungs wäre also unverständlich, von einer Frau unterstützt zu werden.

Ich hoffe, euch mit diesem Bericht, einen weiteren Eindruck dieses einzigartigen Projektes hinterlassen zu haben.

Sri Lanka ist ein sehr armes aber auch schönes Land. Gerade dort ist mir nochmals bewusst geworden, in was für einem Reichtum wir hier eigentlich leben und es überhaupt nicht zu schätzen wissen.

Diese tolle und erlebnisreiche Zeit, die ich gerne wiederholen würde, kann ich jedem nur empfehlen. Die Erfahrungen und Eindrücke die man dort mitnehmen kann, werden einen für immer begleiten.

Habe sehr viel über mich gelernt und darüber, wie verschieden zwei Kulturen sein können.

Dank Bridge, sehen auch die vielen Jungschreiner in Sri Lanka eine Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Bedanke mich recht herzlich bei Reinhard und Franziska für die geleistete Arbeit.

Ein Dankeschön an Yalagè und an allen Jungs, für alle schöne Momente die ich mit ihnen verbracht habe.

Istuti !

Armando Perri, St. Moritz