Mit den eigenen Augen sehen
Brigitta und Jacques Schiltknecht besuchen die Lehrwerkstatt in Matale, um mit eigenen Augen zu sehen was ihr Schwiegersohn dort macht.
26. Dez. 2004: Ein gewaltiger Tsunami verwüstet weite Teile Südostasiens.
Unser Schwiegersohn Reinhard Strickler reist mit einem singalesischen Freund nach Sri Lanka, um sich vor Ort ein Bild zu machen, welche Hilfe die von der Katastrophe betroffenen Menschen brauchen. Die Lebensgrundlage vieler Küstenbewohner ist zerstört – Häuser, Werkstätten, Läden …. Sie sollen so schnell wie möglich wieder mit dem Nötigsten ausgerüstet werden, damit sie den Unterhalt für ihre Familien verdienen können. Mit Werkzeugen, Ladeneinrichtungen, Kochgeschirr etc. konnten Sie wieder etwas verdienen.
Nach dieser ersten Nothilfe entsteht ein neues Projekt. Reinhard findet im Innern des Landes eine nicht mehr betriebene Schreinerwerkstatt und lässt diese wieder aufbauen. Seit 2006 werden dort junge Männer aus bedürftigen Familien in einem mehrmonatigen Kurs zu Schreinern ausgebildet. Das Projekt wird getragen von privaten Spenden aus der Schweiz. Die einheimische Organisation SARVODAYA, eine gemeinnützige Gesellschaft, gewährleistet die sinnvolle Verwendung dieser Gelder.
Oktober 2011: Wir reisen nach Sri Lanka und besuchen mit Reinhard und unserer Tochter Franziska die „Carpentry Scool“ in Matale. Ein friedlicher Ort ist es, umgeben und überdacht von hohen Palmen. Die 15 Lehrlinge und ihre Betreuer bereiten uns einen warmen Empfang und lassen sich bei der Arbeit an ihren Möbelstücken gerne über die Schulter schauen. Da wird gesägt, gehobelt, geschliffen, geschraubt. Vieles wird im Freien (bei 30°C!) erledigt. Gesprochen wird dabei wenig und nur im Flüsterton. Nach diesem ersten, eindrücklichen Besuch treffen wir uns am nächsten Tag für eine von den Schülern vorgeschlagene Exkursion. Wir staunen, als sie alle mit weissem Hemd und dunkler Hose bereit stehen. Ein solcher Tag ist für sie etwas ganz Besonderes. Im kleinen Mietbus, wo wir dicht gedrängt sitzen, herrscht Schulreisestimmung. Man singt und lacht.
Erstes Ziel ist Pinnawala, eine Elefantenstation, wo ca. 60 Tiere, junge und alte, zum Bad an den nahen Fluss geführt werden, was sie sichtlich geniessen.
Im Verlaufe des Tages besuchen wir auf Wunsch der Jungen noch drei buddhistische Tempel und wir sind beeindruckt, mit welchem Interesse sie den Erklärungen der Führer zuhören. Die kunstvollen Holzschnitzereien in der Trommlerhalle des Embekke-Tempels sind uns besonders in Erinnerung geblieben.
Auf die Jungen wartet in der kommenden Woche noch viel Arbeit bis zum grossen Tag der Diplomfeier in Matale.
In dieser Zeit sind wir unterwegs mit unserem Fahrer Alwis, der uns sicher durchs Chaos auf den Strassen führt – für uns Schweizer eine tägliche Herausforderung. Wir besuchen einige der schönsten Kulturdenkmäler, antike Königsstädte und Felsentempel, und nehmen die immer wieder wechselnden Landschaften in uns auf.
Matale,14. Oktober: Eine fröhliche, festlich gekleidete Schar von Eltern, Grosseltern, Verwandten und ehemaligen Schülern hat sich vor der Schule versammelt. Die meisten von ihnen haben eine stundenlange Busfahrt hinter sich.
Der geschmückte Torbogen lädt die Gäste zum Rundgang ein. Im einen der Räume kann man nun die fertig gestellten Möbel bewundern. Da waren in den letzten Tagen viele fleissige Hände am Werk!
Nach einem reichhaltigen Apérobuffet weist man uns Eltern, sowie Franziska und Reinhard, einen Ehrenplatz in der zum Festsaal verwandelten Werkstatt zu, wo die Lehrlinge und ihr spiritueller Lehrer die Feier mit einem buddhistischen Ritual eröffnen.
Als erste beglückwünschen die Vertreter von SARVODAYA und die Leiter der Werkstatt die frischgebackenen Schreiner und geben dann das Wort an Franziska und Reinhard und sogar uns (!) weiter. Auch wenn die jungen Menschen nicht alles verstehen, was wir auf englisch zu ihnen sagen, können sie wohl spüren, dass wir uns mit ihnen freuen und ihnen eine glückliche Zukunft wünschen.
Was uns besonders überrascht, sind die ohne Manuskript vorgetragenen Reden einiger Lehrlinge, in denen sie schildern, wie sie sich in den vergangenen Monaten verändert haben und wie dankbar sie sind, dass sie nun eine Ausbildung haben, die ihnen ein Auskommen sichert. Bisher konnten nämlich alle, die den Kurs in Matale besucht haben, eine Arbeit finden!
Beglückt über die vielen herzlichen Begegnungen mit diesen Menschen haben wir Abschied genommen und sind uns einmal mehr bewusst, wie sehr wir auf der Sonnenseite des Lebens stehen.
Danke, liebe Franziska, lieber Reinhard, für den Einsatz, den ihr leistet, damit es einigen Menschen auf unserer Welt besser geht und danke für die unvergessliche Reise.
Brigitta und Jacques Schiltknecht, Luzern